Luxuriöser Schmuck und Uhren von Bulova wurden in der ersten Fernsehwerbung gepriesen, die hundertprozentig legal am 1. Juli 1941 in den USA gesendet wurde. Das Potential des neuen Mediums wurde u.a. schnell durch Reifenhersteller entdeckt. Viele ihrer Werbespots aus der Vergangenheit sind heute interessante Filmproduktionen. Wir laden ein zum Lesen und Ansehen!
„Bibendum” in der Rolle des Chirurgen
Was bedeutet es, dass 1941 die „legale” Karriere der Fernsehwerbung begann? Erst am 2. Mai dieses Jahres erteilte die Federal Communications Commission den ersten zehn Sendern eine Sendelizenz – anfänglich für 15 Stunden in der Woche. Das bedeutet jedoch nicht, dass es się im Fernsehen früher nicht gab, im Jahre 1941 wurde der Status und die Sendebedingungen für Werbespots genormt. Bereits in den dreißiger Jahren entdeckten viele amerikanische Unternehmen die Vorteile der neuen Methode seine Produkte und Leistungen zu präsentieren. Goodyear begann sein Abenteuer mit dem Fernsehen recht originell – heute würden wir dies wohl „product placement” nenen, der Konzern war nämlich Schirmherr des Motorsportprogramms „The Goodyear Review”.
In der Reifenwerbung traten sehr oft die größten Stars auf Sport und Film auf (Foto Pirelli).
Zum Vergleich datiert sich die Europa-Premiere der Animationen, deren Format an Stummfilme erinnert und deren Held das Michelin-Maskottchen „Bibendum” war, auf das Jahr 1935. Als das französische Unternehmen jedoch seinen ersten Radialreifen, den „Michelin X”, auf den Markt brachte, begleitete das Ganze eine hervorragende TV-Kampagne. Aus der heutigen Sicht scheinen die Spots mehr als avantgardistisch - „Bibendum” jagt einen flüchtenden Reifen, springt auf ihn auf und fährt bei verschiedenen Wetterbedingungen, wobei die ganze Aktion von psychodelischen Geräuschen und der ebenfalls Besorgnis erregenden Stimme des Sprechers begleitet wird. Ein anderes Beispiel: der berühmte „Michelin-Mann” führt eine Operation in einem Krankenhaus durch und erst nach einem Moment wird deutlich, dass der Patient ein Reifen ist. Der chirurgische Eingriff macht ihn zu einem Radialreifen. Auf diese Wiese bewarb man die neueste Reifenerfindung zu Beginn der 50er Jahre.
Das beliebte "Michelin-Männchen" trat von Anfang an in der Reifenwerbung für die französische Marke auf.
Eher konventionell waren dahingegen die damalige Werbung der Michelin-Reifen für den amerikanischen Markt. Ebenfalls mit „Bibendum”, jedoch war die Mitteilung eine einfachere: das Modell „X” wurde als beständiger, bequemer und sich mit besserer Bodenhaftung als die Konkurrenz auszeichnend gerühmt.
Werbung des Michelin X Reifens – eines der legendären Modelle des Unternehmens.
Dunlop landet auf dem Flugzeugträger
Zurück nach Amerika. In der ersten Dekade nach dem Krieg wurde das Fernsehn nur allmählich zum Massenmedium und damit zum wichtigsten, landesweiten Meinungsmacher. Jedoch überboten sich Marken wie Goodyear, B.F. Goodrich oder Firestone im Herausstellen ihrer Vorzüge vor dem ständig wachsenden Publikum. Einer der immer wiederkehrenden Szenen in allen Filmen war der Winter, starkt verschneite Straßen und die unerschrockene Haltung der Fahrer, die die Reifen der jeweils beworbenen Marke nutzten. B.F. Goodrich versicherte: „Unsere Reifen können Ihnen das Leben retten, sie können Ihnen Ärger einsparen, aber vor allem sparen Sie mit ihnen Geld“.
Wohingegen Firestone bewies, dass wenn alle sich im Schnee festfahren, es auch solche gibt, die das schreckliche Wetter bändigen und die alle – keine Frage – den „Town & Country“ Reifen an ihren Autos verwenden. Firestone nutzte in seinen Videoclips auch ein eigens komponiertes Lied: als nach einander Fahrzeuge die Straße überfuhren sangt im Hintergrund eine männliche Stimme - „Where the rubber meets the road“ oder wörtlich - „Hier trifft das Gummi auf den Untergrund“. Ein anderer Slogan war auch recht einfallsreich: „ You go through ice, mud or snow or we pay the tow“ oder anders „Falls Sie im Schnee, Schlamm oder auf dem Eis liegen bleiben, zahlen wir Ihnen das Abschleppen“. Es gab viele solche Slogans – Goodyear verkündete: „When snow says ‘no!’, you go, go… Goodyear!“ bzw. „Wenn der Schnee 'Stopp' ruf, besitzen Sie einen go, go … Goodyear-Reifen!“.
Die bekannte Werbung, in der ein Auto mit Dunlop-Reifen auf einem Flugzeugträger landet.
In der Werbung von vor einem halben Jahrhundert mangelte es nicht an Inszenierungen, die uns aus dem populären „Top Gear“ Programm bekannt sind. Firestone führte ein Experiment auf einem zum Teil eingefrorenen See durch. Das Zeil war es, so zu bremsen, damit man nicht in das Eisloch fuhr. Das gelangt nur dem Fahrer der beworbenen Marke, die anderen landeten alle im Eiswasser. Ein originelles Konzept? In den 90er Jahren bot das Unternehmen Continental etwas ähnliches. Dort manövrierte ein Auto mit hoher Geschwindigkeit über eine große Eisscholle. Im Film derselben Werbekampagne bewegte sich ein Opel Kadett, der mit dem ContiSportContact Reifen ausgestattet war, bravourös auf dem Dach eines Hochhauses. Noch intensiver ging die Phantasie mit den Erstellern der Dunlop-Reifenwerbung 1992 durch. In ihr landete ein Auto mit den Reifen der britischen Marke auf einem Flugzeugträger.
Werbung für Continental-Reifen mit der Fahrt auf dem Dach eines Hochhauses.
Eine andere Idee von vor einigen Jahren: B.F. Goodrich war zu Gast im Wissenschaftsmuseum in Chicago, wo über einem Reifen der Firma eine Guillotine montiert war. Ihre Schneide war nicht in der Lage die Lauffläche zu zerschneiden und prallte nur wie auf einem Trampolin von ihr ab. Goodyear ging noch einen Schritt weiter. Das Double Eagle Modell wurde unter der Zuhilfenahme einer Landmine getestet. Nach der Explosion war das Auto in der Lage seine Fahrt, dank der LifeGuard Safety Spare Einlage, die als „eingebautes Ersatzrad“ beworben wurde, fortzusetzen.
Goodyear entschloss sich dazu seine Reifen unter der Zuhilfenahme einer Mine zu "testen".
Die Michelin-Kinder
Heute sieht man mit Nachsicht auf einige Zeichnungen, die vor Jahren in Reifenwerbungen genutzt wurden. Den Trend gab Michelin und sein Männchen vor. In den 70er und 80er Jahren konnte man den Prototypen der heutigen, fortgeschrittenen Animationen betrachten, die am Computer entstehen. „Bibendum“ unterhielt Cowboys und überzeugte jeden, dass das französische Unternehmen der Welt den Umstieg auf den Radialreifen ermöglicht. In einem anderen Film zeigte er in aller Kürze die Geschichte der Michelin-Innovation, um schließlich die neueste Errungenschaft, das Modell „XZX“, zu präsentieren. Das Uniroyal-Unternehmen hingegen verwendete einen Zeichentrick-Tiger, um zu zeigen, dass seine Reifen eine Bodenhaftung besitzen, ähnlich der einer Tigerpfote und deren Krallen. Und was ist mit dem Murmeltier, das anstatt Pfoten Reifen besaß? Diese Idee hatte in den 70er Jahren Dunlop, als es das Groundhog-Modell (eben „Murmeltier) präsentierte. Das Murmeltier auf Rädern wurde unterschiedlich verkörpert, es erschien bei verschiedenen Straßensituationen und Wetterbedingungen.
Der animierte Tiger symbolisierte die Bodenhaftung der Uniroyal-Reifen.
Diese Art an Animationen, die heute recht archaisch wirken, wurde mit der Zeit z.B. durch lebendige Tiere verdrängt. Die Marke Kleber bewarb in den 80er und 90er Jahren einen lebendigen Hund der Boxer-Rasse. Es ist aber sichtlich schwer zu enträtseln, wieso die Marketingspezialisten so gerne in ihrer Werbung auf kleine Kinder zurückgreifen. Eine komplette Werbekampagne mit Kindern bereitete Michelin in den 80er Jahren vor. In einem der Filme trat sogar ein Baby auf, das das damalige Motte der Marke unterstrich: „Ihre Reifen tragen eine große Verantwortung“.
Sharon Stone und Pirelli
In den 90er Jahren wurde es zur Mode in der Reifenwerbung immer häufiger auf Stars zurückzugreifen. Reifenhersteller machten nur selten davon Gebrauch, was jedoch nicht bedeutet, dass Sie nicht auch solche Versuche unternahmen. Hierbei spielte die Marke Pirelli die erste Geige, die zum Ende des letzten Jahrhunderts eine Gruppe bekannter Sportler für Ihre überaus erfolgreiche Marketingstrategie engagierte. Mit dem Motto „Kraft ist nichts ohne Kontrolle“ bewarben die italienischen Reifen u.a. der Fußballspieler Ronaldo sowie die Leichtathleten Carl Lewis und Marie-José Perec. Ein noch größeres Ereignis war das Einbeziehen von Sharon Stone, einer Schauspielerin, die zu der damaligen Zeit am Gipfel ihrer Beliebtheit stand, die durch die Hauptrolle in „Basic Instinct“ untermauert wurde.
Reifenwerbung der Pirelli-Reifen mit Ronaldo in der Hauptrolle.
Einen anderen Weg schlug hingegen Dunlop ein, das 1993 einen Werbespot produzierte, der durch den bekannten Regisseur Tony Kaye gedreht wurde (Regisseur von Dokumentarfilmen und Videoclips). Es wurde im Film das Stück „Venus in Furs“ verwendet, das von der legendären Velvet Underground Gruppe stammt.
Werbung der Dunlop-Reifen unter der Regie von T. Kaye.