Theoretisch haben sie nicht viel mit Reifen gemeinsam, aber dank ihnen sind Reifenmarken in der Massenkultur bekannt geworden. Es geht um Symbole, die sie abseits der eigentlichen Reifenherstellung erschaffen haben: der Guide Michelin, das Goodyear-Luftschiff, der Pirelli-Kalender oder die Dunlop-Brücke.
Der Pirelli-Kalender
Für jede Reifenmarke ist es nicht nur ein unschätzbares Element der eigenen Identität und der Konzernordnung, aber ebenso die Möglichkeit auf Bekanntheit, die über die Grenzen der Branche hinausgeht. Es reicht zu erwähnen, was für ein Event die jährliche Premiere des neuen durch den Pirelli-Konzern herausgegebenen Kalenders ist. Die Idee entstand 1962 als das britische Tochterunternehmen der italienischen Firma neue Werbe- und Kommunikationsstrategien suchte. Allerdings gestaltete sich der Ruf des Kalenders in den ersten beiden Dekaden unter schwierigen Bedingungen (in Italien wurden die Bilder von Modells lange Zeit als vulgär und aufrührerisch empfunden und in den Jahren 1975-1983 wurde die Veröffentlichung aufgrund der Ölkrise ausgesetzt). Am Ende der 80er Jahren wurden den Buchhaltern bei Pirelli bewusst, dass diese Form der Werbung nicht nur günstiger als ein Werbefilm im Fernsehen ist, sondern auch deutlich effektiver. Heute ist der Pirelli-Kalender die Visitenkarte der Marke, ihr Prestigezeugnis und ein Zeichen für ihre Position in der Welt, in der ein Industriegigant auch eine geschätzte Größe der Popkultur sein kann.
Das Goodyear-Luftschiff ist allgemein Bekannt und wird mit dem jeweiligen Produzenten in Verbindung gebracht.
Das Goodyear-Luftschiff
Genauso wie Pirelli abseits der Reifenherstellung direkt mit Fotosessions und den besten Modells in Verbindung gebracht wird, hat auch Goodyear sein eigenes, einzigartiges Markenzeichen in Form von monumentalen, am Himmel gleitenden Luftschiffen geschaffen. Das italienische Unternehmen behandelte seinen Kalender zu Beginn als reine Marketingunternehmung, jedoch bauten die Amerikaner ursprünglich Luftschiffe für die Marine. Zum Ende der zweiten Dekade des XX Jahrhunderts dienten die ersten als fliegende Flugzeugträger, danach dienten sie Aufklärungsaufgaben und schützten Handelsflotten. Der Durchbruch gelang mit dem 1925 durch Goodyear gebauten Pilgrim-Modell. Das war das erste Prallluftschiff sowie das erste Luftschiff, das für Werbezwecke gebaut wurde. In den späteren Jahren durchquerten die Luftschiffe der amerikanischen Marke die Weltmeere im Dienste der Armee, wie z.b. während des II Weltkrieges (als Aufklärungs- und Geleiteinheiten, dank denen man die Position von auftauchenden U-Booten anzeigen konnte). Das festigte unzweifelhaft den Wiedererkennungswert des Symbols der Marke Goodyear. Zusammen fertigte und nutzte Goodyear über einen Zeitraum von 100 Jahren über 300 Luftschiffe dieser Art. Einige von ihnen, darunter das Modell Europa, das 1972 vorgestellt wurde, flog auch außerhalb der Vereinigten Staaten. Dieses Luftschiff, wie der Name schon verrät, stationierte z.B. in Italien und war das erste „Export“-Luftschiff von Goodyear. Weitere warben auf anderen Kontinenten für amerikanische Unternehmen, u.a. Spirit of Safety in Australien, Ventura in Brasilien und Ling Hang Zhe in China. Die majestätischen Konstruktionen am Himmel stellen auch noch heute eine hervorragende Werbefläche dar. Auch wenn viele Unternehmen versuchen diese Strategie zu kopieren und für das eigene Marketing zu nutzen, ist der Wiedererkennungswert der Goodyear-Luftschiffe unerreichbar.
Hilfreich beim Erreichen dieses Ziels war eine Reihe anderer einfallsreicher Unternehmungen. Die Luftschiffe von Goodyear waren bspw. über Jahre ein fester Bestandteil in der Landschaft des berühmten Autorennens IndyCar. Die amerikanische Marke bot zwar nie (außer kleinen Außnahmen) Personenfahrten auf ihren Luftschiffen an, jedoch war es beim Indianapolis 500 Tradition, dass der Fahrer, der die Pole Position gewann, vor dem Rennen in der Kabine des Luftschiffs über dem Gelände flog. Eine der meist bekannten Konstruktionen in der Geschichte von Goodyear – die Spirit of America – verlieh hunderten von prestigereichen Sport- und Kulturveranstaltungen einen besonderen Glanz, z.B. der Oscar-Gala, dem Super Bowl, den X-Games sowie den Spielen in den Ligen der NCAA, NBA, MLB und NHL. Luftschiffe wurden auch in dutzenden Filmen festgehalten, darunter in „Black Sunday“ sowie den Bond-Filmen: „Goldfinger“ (mit Sean Connery in der Rolle des Agenten 007) und „Im Angesicht des Todes“ (mit Roger Moor).
Das Michelin-Männchen ist das meist bekannte Maskottchen eines Reifenherstellers.
Bibendum und der Guide Michelin
Das nächste Beispiel einer Ikone der Popkultur, die neben der eigentlichen Reifenproduktion geschaffen wurde ist allen bekannt und kann daher auch nicht in dieser Auflistung fehlen. Es geht um Bibendum, das sogenannten Michelin-Männchen und das Maskottchen und Symbol der französischen Marke sowie eines der ältesten registrierten Markenzeichen (es wurde 1894 präsentiert). Untersuchungen ergaben, dass jeder siebte Mensch auf der Welt problemlos das bekannte Michelin-Männchen wiedererkennt, das im Jahr 2000 von Financial Times und dem Report on Business als bestes und damit am stärksten identifiziertes Markenlogo der Welt anerkannt wurde. Dabei sollte man nicht vergessen, dass dies nicht der einzige Trumpf des französischen Unternehmens ist. Seit 1900 veröffentlicht Michelin Reise- und Gastronomieführer.
Zur Erinnerung – die erste Edition des Frankreich-Reiseführers sollte den Autofahrern bei der Reparatur ihrer Fahrzeuge, dem Auffinden von Unterkünften und Orten, an denen man während der Reise gut essen konnte. Die Publikation enthielt u.a. Adressen von Tankstellen, Werkstätten, Reifenläden, Preise für Benzin, Dienstleistungen sowie für Mahlzeiten und Übernachtungen. Ursprünglich wurde sie kostenlos verteilt, allerdings kamen die Michelin-Brüder zu dem Entschluss, dass kostenlose Verlage nicht ernst genommen werden. Darüber hinaus bewerteten sie ab 1926 Restaurants und verliehen den besten Sterne. Zuerst jeweils einen Stern und seit den dreiziger Jahren des XX Jahrhunderts auch zwei und drei Sterne. Heute ist sie die bekannteste Ausgabe eines kulinarischen Reiseführers und Kritikers und der Besitz von mindestens einem „Michelin-Stern“ ist ein Qualitätsmaßstab für das Restaurant. An dieser Stelle sei erwähnt, dass in Polen derzeit nur zwei Lokale mit dieser Auszeichnung gibt.
Dunlop-Brücke
Das fünfte Symbol einer Reifenmarke, das sich in der Massenkultur etabliert hat ist die sog. „Dunlop-Brücke“ (Dunlop Bridge), eine Art Aussichtssteg, der an ein aus der Erde ragendes Reifenstück erinnert, das an den bekanntesten Rennstrecken montiert ist. Das ist zweifellos eines der charakteristischsten Kultgegenstände in der Motorsportlandschaft. Es ist in den weltweit bekanntesten Arenen präsent. Der älteste der noch vorhandenen Brücken aus dem Jahr 1932 ziert den Circuit de la Sarthe in Frankreich, der Rennstrecke, auf der die 24-Stunden von Le Mans stattfinden. Andere Exemplare stehen u.a. im Donington Park in Großbritannien, auf dem Mount Panorama Circuit in Australien, dem Tsukuba Circuit und Sportsland SUGO in Japan, im Mantorp Park in Schweden sowie dem Mazda Raceway Laguna Seca in den USA. Die Dunlop-Brücke ist zudem eines der Pflichtelemente in vielen Computer-Rennsimulationen, wie z.B. in der Gran Turismo Serie oder Forza Motorsport. Ähnlich wie bei den Luftschiffen von Goodyear wird diese originelle Werbeidee der Firma Dunlop bis heute auf den Rennstrecken nachgeahmt, u.a. durch andere Reifenhersteller.