Es gibt Rennstrecken, auf denen die Geschichte des Motorsports geschrieben wurde. Es gibt auch solche, die man sich nur schwer vorstellen könnte ohne Jahrzehnte des technischen Fortschrittes in der Reifenindustrie. Aus den Siegen auf der Rennstrecke ziehen wir alle einen Nutzen.
Am Anfang stand der Contidrom
Monza, Silverstone, Nürburgring, Indianapolis Motor Speedway. Auf die Frage zu Rennstrecken werden diese Namen nicht nur von eingesessenen Motorsportfans genannt. Auf diesen Strecken bauten die bekanntesten Fahrer und Marke ihre Legenden. Die Konkurrenz auf der Rennstrecke nutzten über Jahre hinweg auch Reifenhersteller, die den Motorsport als Testgelände nutzten. Auf der Strecke konnte man häufig unter extremen Bedingungen und enormen Geschwindigkeiten die Innovationen testen, die später in die Konstruktion von Straßenreifen einflossen. Letztlich kam jemand auf die Idee, dass solche Tests auch unter strengen, nahezu laborähnlichen Bedingungen stattfinden können. Es reicht aus seine eigene Strecke zu errichten.
Der erste war Continental. Im Jahr 1967 errichtete das deutsche Unternehmen bei Hannover sein Objekt unter dem Namen Contidrom. Das grundlegende Ziel dieser Investition war die Konsolidierung der meisten Untersuchungen von Reifen im Gelände (z.B. Bremsen, Kurvenverhalten und Verhalten auf nassen Fahrbahnoberflächen), die bis dato auf abgesperrten Straßenabschnitten bzw. Flughäfen organisiert wurden. Die Strecke mit einer Länge von 2,8 km wurde mit Kurven, die einen Winkel von 58 Grad besitzen, ausgestattet, die es ermöglichen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 180 km/h fahren zu können ohne Fliehkräfte fürchten zu müssen. Anders gesagt: der Fahrer müsste noch nicht einmal lenken, um die Kurve zu durchfahren, da das Auto nicht vom Kurs abkommt. Der Contidrom ermöglicht ebenfalls Tests mit höheren Geschwindigkeiten, die 250 km/h übersteigen, wodurch die Ingenieure von Continental die modernsten Rennreifen genauen Untersuchungen unterziehen konnten.
Die meisten Reifentests wurden auf Rennstrecken durchgeführt
50 Jahre Tests
Die Rennstrecke wurde zum Schlüsselelement der Abteilung für Forschung und Entwicklung. Über ein halbes Jahrhundert lang wurde auf dem Contidrom fast zwei Millionen Reifen für Personenkraftwagen, Lastkraftwagen, Bussen und Motorrädern getestet. Man sollte jedoch bedenken, dass Continental seinen Komplex allmählich ausbaute. Im Jahr 1972 wurde auf dem Gelände eine zweite Strecke mit einer Länge von 1800 Metern eröffnet, auf welcher bis heute sog. „kleine Renntests“ durchgeführt werden, die am häufigsten auf nasser Fahrbahn organisiert werden. Die Strecke wurde mit einigen scharfen Kurven entworfen wurde mit einem Sprinklersystem ausgestattet, das in einigen Minuten die Strecke von einer trockenen in eine rutschige, gefährliche Straße verwandelt. In solchen, künstlich erzeugten Bedingungen wurde nicht nur das Verhalten von Reifen getestet, aber auch das des Sicherheitssystems des Autos.
Eine weitere Investition des Continental-Unternehmens bei Hannover war der „große Renntest“ – ein 4 Kilometer lange, breite Rennstrecke (das breiteste Teilstück misst 10 Meter), die Experimenten mit Rennreifen für Autos mit hoher Leistung dient. Die Strecke besitzt sieben Kurven, die man mit echter Renngeschwindigkeit durchfahren kann. Diese Anlage wird nicht nur häufig von Continental-Ingenieuren genutzt, sondern auch durch Journalisten von Motorsportmagazinen, die Tests an Reifen und Fahrzeugen durchführen. In diesem Abschnitt des Contidroms sind auch häufig Filmkameras anzutreffen, die Szenen von Rennen bzw. Auto-Stunts filmen.
Die Anlage des deutschen Unternehmens stellt seit 50 Jahren das Fundament des technischen Fortschritts seiner Produkte dar. Die Untersuchungen von Reifen betreffend ihrer Grenzen der Bodenhaftung, des Verhaltens bei Aquaplaning, der Simulation der Belastung der Seitenwände der Reifen (z.B. im Fall von großem Druckabfall) oder auch Bremstests. Das alles sind Erfahrungen, die im Prozess der Reifenverbesserung unschätzbaren Wert besitzen. Auf den Strecken des Contidroms werden Messungen von Fahrwiderständen und die Geräuschentwicklung von Reifen durchgeführt. Vor der Untersuchung wird der Lärm des Motors, des Getriebes und des Antriebs isoliert. Das alles, um so genau wie möglich den inneren und äußeren Lärmpegel zu bestimmen, der durch die Reifen beim Kontakt mit dem Untergrund emittiert wird. Hinzufügen kann man, dass Continental fünf Jahre später ein Objekt unter der Bezeichnung AIBA erbaute (Automated Indoor Braking Analyzer), das Bremstests unabhängig vom Zustand der Fahrbahnoberfläche, der Lufttemperatur sowie anderer Wetterbedingungen durchgeführt werden können. Um unabhängige Variablen zu beseitigen werden Reifen ohne Fahrer getestet,
Seit 2003 verfügt Continental bei Hannover auch über eine Strecke zur Fahrt im Gelände, die Erhöhungen, gewundene Pfade, steile Randstreifen und flache Wasserflächen besitzen. Allerdings finden fortgeschrittene Geländetests von Allradreifen in Uvalde in Texas statt. Das dortige Objekt bietet größere Off-Road-Möglichkeiten. Dies ist eine ausländische Forschungsanlage, die zu Continental gehört. Eine weitere Strecke befindet sich in Nardo in Italien. Dort Untersuchen deutsche Wissenschaftler Reifen mit einer Geschwindigkeit bis zu 400 km/h.
Continental verfügt bei Hannover über eine Geländeteststrecke.
Bridgestone testet in Aprilia
In Hinblick auf die Größe des Forschungsunternehmens kann auf dem alten Kontinent nur der European Proving Ground (EUPG), das im Ort Aprilia bei Rom (30 km vom Europäischen Zentrum für Technik von Bridgestone gelegen) eröffnet wurde, mit dem hannoverischen Contidrom mithalten. Die Anlage zähl 144 Hektar und das Herzstück ist die 4 Kilometer lange, ovale Strecke. Das ist eine der weltweit modernsten Ganzjahresanlagen zum Testen von Reifen.
Die Bahn in Aprilia setzt sich aus geraden Abschnitten zusammen, auf denen Testfahrzeuge Reifentest bis zu einer Geschwindigkeit von 250 km/h durchführen können. Die nördliche Gerade ist 15 Meter breit und besitzt 4 Fahrstreifen, die südliche Gerade hingegen ist ganze 35 Meter breit und besitzt neun Fahrstreifen. Die Kurven wurden mit einem Winkel von 37 Grad profiliert. Unter diesen Bedingungen lassen sich die Eigenschaften von Reifen feststellen, wie z.B. während Fahrrichtungsänderungen bei hohen Geschwindigkeiten, die Stabilität bei gerader Fahrt oder das Verhalten bei plötzlichen Manövern (hierzu dient der Slalom). Auf dem Testgelände befinden sich auch Strecken mit fünf verschiedenen Fahrbahnoberflächen, auf denen u.a. die seitliche Bodenhaftung auf nasser Fahrbahn getestet wird. Ähnlich wie im Contidrom verfügt die Bahn über ein Sprinklersystem, auf welcher (komplett bzw. auf einer der Seiten) Tests zu Aquaplaning durchgeführt werden. Getrennte Anlagen mit Asphalt- bzw. Betonoberflächen werden für Bremstests genutzt (auf nasser und trockener Fahrbahn). In Aprilia besitzt Bridgestone sogar eine separate Strecke für Simulationen von ländlichen Bedingungen sowie zwei runde Bahnen für Traktoren. Auf diesen finden Untersuchungen zu Beständigkeit und Widerstandsfähigkeit von Laufflächen statt.
Bridgestone besitzt sein eigenes European Proving Ground (EUPG).
Michelin am nördlichen Polarkreis
Wenn man über Forschungsanlagen für Reifen schreibt, kommt man nicht daran vorbei das französische Mireval zu nennen. Dies ist eine Bahn im Süden Frankreichs, die 1974 als potentielle Formel-1-Rennstrecke erbaut wurde. Zehn Jahre später wurde die Anlage von Goodyear aufgekauft. Heute werden in Mireval einige Teststrecken genutzt (die längste beträgt 3,3 km). Auf diesen werden Parameter analysiert wie z.B.: Verhalten bei hohen Geschwindigkeiten, Fahrpräzision, das Einhalten der Fahrbahn bzw. das Messen des Lärmpegels beim Fahren auf unterschiedlichen Oberflächen. Ein Teil der Untersuchungen wird auf einem Asphaltabschnitt durchgeführt, der sich durch eine geringe Reibung kennzeichnet, was einen objektiven Test der Bodenhaftung der Reifen erlaubt.
Wie bedeutende Reifenkonzerne ihre internen Testunternehmungen behandeln zeigt die Entscheidung von Michelin aus dem vergangenen Jahr. Das französische Unternehmen kaufte das Forschungszentrum in Ivalo in Finnland, um seine Winterreifen zu testen. Auch wenn es an vielen Orten in Europa keinen Schnee gibt, herrschen dort nahe des nördlichen Polarkreises immer die entsprechenden Bedingungen.
Mireval war eine potenzielle Formel-1-Rennstrecke